Es ist vermutlich einer der längsten Beiträge hier und ich habe sehr viel länger gebraucht, um all die Worte und Bilder zusammen zu suchen, als ich es mir ursprünglich vorgestellte habe, da fällt es irgendwie schwer, die richtigen einleitenden Worte zu finden. Vor allem, wenn ich wieder in diesem Fall gewissermaßen Stück für Stück von hinten nach vorne schreibe. Begonnen hat alles damit, dass ich mich am vergangenen Samstag mehr oder weniger spontan in den Zug nach Frankfurt gesetzt, um dort einen Freund zu treffen und mir endlich zum allerersten Mal eine Ausstellung von Herakut anzuschauen. Es handelte sich dabei um eine Gruppenausstellung zum Abschluss des Projektes Colours of Resilience, das ich vor ein paar Monaten über Facebook mehr oder weniger live verfolgt habe.
An dieser Stelle nur kurz etwas zum Hintergrund: Mit Unterstützung von UNICEF und ECHO hat AptART in Zusammenarbeit mit ACTED in 10 verschiedenen Gastgebergemeinden im Norden Jordaniens ein achtwöchiges Streetartprojekt initiert, in dessen Rahmen etwa 1000 Kindern und Jugendlichen gemeinsam mit Künstlern aus der ganzen Welt mehr als 50 Kunstwerke im öffentlichen Raum geschaffen haben. Im Anschluss daran folgte ein weiteres, von den gleichen Organisationen gefördertes Kunstprojekt im Za’atari Flüchtlingslager, in dem inzwischen mehr als hunderttausend Menschen leben. Beide Projekte endeten mit der Ausstellung von dokumentarischen Fotografien und Originalbildern, die von den beteiligten Kindern und Jugendlichen sowie den anleitenden Künstlern in dieser Zeit geschaffen wurden, zuerst auf nationaler und später auch auf internationaler Ebene, in Hera’s Heimatstadt Frankfurt.
Auf dem Weg dorthin konnte ich es mir einfach nicht nehmen lassen, zuerst noch einen kleinen Abstecher in die Innenstadt zu machen, um mir noch einmal das im letzten Sommer entstandene Wandbild von Herakut anzuschauen. Ich war damals ja etwa einen Tag zu früh dort und hatte es somit in vollendeter Form bisher nur auf Fotos gesehen, doch irgendwie ist jedes Wiedersehen genauso schön und beeindruckend wie die erste Begegnung. Etwas später, auf der anderen Seite des Mains, liefen wir schließlich durch eine kleine Strasse und schauten uns suchen nach der richtigen Hausnummer um, als mir plötzlich ein Schaufenster ins Auge fiel, dass ganz unverkennbar die Handschrift Herakut’s trug, da wußte ich, unser Ziel ist nun ganz nah. Es kribbelt doch jedes Mal wieder.
Nur wenige Augenblicke später erreichten wir schließlich die in einem Hinterhof zwischen alten Fachwerkhäusern gelegene Ausstellungshalle, in denen sich bereits eine kleine Gruppe Menschen auf Stühlen niedergelassen hatten, um den für diesen Tag auf dem Programm stehenden Vorträgen und Lesungen zu lauschen. Ich gebe zu, ich war schon sehr neugierig und gespannt darauf, den hinteren Teil der Halle und die dort ausgestellten Kunstwerke zu erkunden, aber es ging hier eben um etwas mehr als nur einfach eine Ausstellung, die Präsentation und das Teilen des Erlebten, und so hörten auch wir uns zuerst die Geschichten einiger unmittelbar Beteiligten an. Hera erzählte ein wenig von der Arbeit mit den Kindern dort, davon, wie sie ihnen beigebracht haben, über ihre Heimat nicht nur in einem einzigen Wort, Syrien, zu denken, sondern in Bildern, die so viel mehr zeigen konnten und mehr Farben, als in der syrischen Flagge enthalten sind. Gemeinsam haben sie in den Flüchtlingslagern Mauern, Pappe und Schubkarren gemalt, Zeltstoff wurde zu Leinwänden und Stoffreste zu kleinen Vögel, als Symbol für die Freiheit und das Überwinden von Grenzen und Hindernissen. Aus dem was man hat, mit allen zur Verfügung stehenden Mittel, das beste zu machen, ist eine Botschaft, die meiner Meinung nach immer und überall geteilt werden sollte.
Im Anschluss daran sprachen die Pädagogin Verena Wilkesmann und der Fotograf Max Kratzer von der Refugio Kunstwerkstatt über ihr Projekt ‘Status‘, einen wöchentlichen Photoworkshop für jugendliche Flüchtlinge, bei dem vorwiegend analoge Kleinbildkameras eingesetzt werden. Das Medium der Fotografie soll dabei helfen, Sprachbarrieren zu überwinden sowie die Orientierung in einem neuem Umfeld erleichtern, gleichzeitig ermöglichte es auch, den Jugendlichen ein Ausdrucksmittel zur Verfügung stellen, mit dem sich schnell erste Ergebnisse erzielen ließen. Wenn ich im nachhinein so über die Ergebnisse und Entwicklungen des Projektes lese, kann ich vieles davon total gut nachvollziehen, weil ich auf meiner fotografischen Entdeckungsreise bisher ganz ähnlich Erfahrungen gemacht habe.
Nach einer Lesung von Geschichten aus bzw. über Syrien begannen die am Eingang platzieren Musiker orientalische Klänge zu spielen, zu denen sogleich einige der Gäste zu tanzen begannen und wir konnten endlich nach hinten, um die Bilder und Installationen von Herakut sowie die aus den Flüchtlingslagern mitgebrachten Zeichnungen und Basteleien der Kinder zu betrachten. In einem meiner vorherigen Beiträge über Herakut habe ich ja schon mal erzählt, das Akut nicht nur ein Meister mit der Sprühdose und der fotorealistischen Darstellung ist, sondern auch ein sehr guter Fotograf und einige seiner Bilder, vorwiegend Porträts syrischer Kinder, waren ebenfalls mit ausgestellt. Und so stand ich dort, in diesem Raum gefüllt mit Bildern, Worten, Geschichten und Emotionen, von denen ich einfach nicht genug mit der Kamera festhalten konnte. Es erstaunt und freut mich immer wieder, dass es in der heutigen Zeit Künstler gibt, die es immer wieder schaffen, mich aufs Neue zu begeistern und mit ihrer Arbeit auf so vielen Ebenen zu berühren und auch zu inspirieren. In solchen Momenten juckt es mir förmlich in den Fingern und ich würde am liebsten selbst zu jedem Stift, jedem Pinsel, jeder Farbe oder sogar einer Sprühdose greifen, um die Leinwände der Welt zu erkunden, ob sie nun aus Papier, Stoff, Holz, Metal oder Stein sind. Vielleicht irgendwann einmal, momentan begnüge ich mich mit meiner Kamera und male mit dem Licht. Falls jemand von euch es zufällig in den nächsten Tagen nach Frankfurt schaffen sollte, kann ich euch nur aufs dringlichste empfehlen dort vorbei zu schauen. Die Ausstellungshalle befindet sich in Schulstrasse 1a (Sachsenhausen-Nord), ist in nächsten Tagen von 17-20 Uhr geöffnet und endet am 20. Juni, dem World Refugee Day, mit einer Finissage (Beginn 18 Uhr). Fotos, die während des Projektes direkt vor Ort entstanden sind, finden ihr außerdem auf dem Tumblr, im Herakut Travelbook.
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